Heute ist der 21. Juni 2019. Der kalendarische Sommeranfang und gleichzeitig der längste Tag, die kürzeste Nacht. Ein spezieller Tag wurde für dich, für Deine Verabschiedung gewählt. Der Tag ist genauso speziell wie du auch ein spezieller, ein aussergewöhnlicher Mensch warst.
Mein Name ist Martin Lenz. Ich bin ein langjähriger Weggefährte, durfte einer seiner persönlichen Freunde sein. Ich erlaube mir einige spezielle Eigenheiten von dir – persönliche Erleb-nisse mit dir - heute allen deinen Freunden und Bekannten mitzuteilen. Es stört mich eigentlich keinesfalls, ob es dir gefällt da oben oder nicht.
Erstmals kennen gelernt habe ich Mohinder Jus als ich seinen ersten Schulausbau an der Sumpfstrasse projektieren und ausführen durfte. Grosszügige Räume sollten es sein. Es sollte Platz geschaffen werden für viele Schüler und eine grosse Praxis sollte entstehen. Auf meine Bedenken, er könnte sich finanziell übernehmen, ist er schlichtweg nicht eingegangen.
Im Gegenteil, schon bald gab es aufgrund der übergrossen Schülerzahl und der engen Bestuhlung zerrissene Tapeten an den Wänden. Seine Vision war aufgegangen, er war ja anerkannt und hochgeschätzt.
Wenige Jahre später erfüllte er sich seinen allergrössten Lebenswunsch - das SHI Gebäude - wo er seine Schule und Praxis in eigenen Räumlichkeiten realisieren konnte.
Zu den Anfangszeiten war der geschäftliche Umgang mit ihm nicht immer einfach, eher speziell.
Jeder Sitzungsbeginn musste um mindestens eine halbe Stunde verschoben werden und zudem musste er gesucht werden. Ist doch normal. In Indien kommt man ja mindestens eine Stunde zu spät.
Aber erstaunlich, hatte er anfänglich Mühe, schweizerische Eigenschaften zu übernehmen, war es ihm schon sehr bald wichtig, unsere Gepflogenheiten peinlichst genau umzusetzen.
Über die Zeit wurden wir sehr persönliche Freunde. Damit dies möglich wurde, mussten wir uns beide etwas anpassen. Also Jus wurde pünktlich; musste sich für eine richtige Partei-haltung entscheiden und ich habe manchmal in seiner Anwesenheit auf das Rauchen von Zigarren verzichtet.
Ausserhalb der Homöopathie war ihm das politische, das öffentliche Leben, die Integration in die Gesellschaft sehr wichtig.
Mit grosser Umsicht hat er die Einbürgerung zum Schweizer vorbereitet. Das persönliche Gespräch, also die mündliche politische Prüfung fand persönlich beim damaligen Regierungsrat Peter Bossard statt. Vielfach hat er dieses Gespräch erwähnt und mit grossem Stolz hat er seine Einbürgerung gefeiert, wie sich’s gehört im Hirtenhemd. Um ihn wieder mal zu ärgern, habe ich eine Ländlermusik für sein Fest organisiert.
Politische Kontakte hatte er sehr geliebt und gepflegt. Insbesondere die Wahlen wurden immer ausgiebig diskutiert. Nicht bei allen politischen Abstimmungen waren wir gleicher Meinung und wir haben beide provozierend die politische Extremposition verteidigt.
Zu hämischen Reaktionen hat bei Mohinder meine manchmal etwas schnelle und prägnante Mundartaussprache geführt. Es hat ihm immer riesig Spass gemacht, meinen etwas komischen Dialekt nachzumachen.
Über lange Jahre, bis zum Beginn seiner gesundheitlichen Probleme, sind wir jeweils am Mittwoch-Abend auf den Wildspitz gestiegen. Dies ungehindert bei sommerlicher Hitze oder winterlicher Dunkelheit und einem halben Meter Neuschnee. Dieser Aufstieg zum Wildspitz war für Mohinder immer eine körperliche Herausforderung. Er freute sich auf die gemütliche Ess-/Trink- und Diskussionsrunde, vielfach auch im Kreise der Rotary Freunde.
Mohinder war sehr anpassungsfähig. Gegen den Durst hatte er wie alle seine Kollegen und Freunde Rotwein und nach dem Rotwein Kaffee mit Zwetschenschnaps ausgiebig genossen. Bei einem hellen Kaffee blieb es natürlich nicht und nach dem leichtgängigen Abstieg durfte am Bergfuss ein kurzer Besuch noch in der Wirtschaft Alpli nicht fehlen.
Ich bin überzeugt, dieses manchmal etwas andere Leben, die sportliche Abwechslung, das Treffen mit Kollegen, hat ihn beflügelt, hat ihm Mut gegeben für seine Tätigkeit als Homöopath – als Lehrer / Dozent und für seine Vorträge.
Ich bin nur ein Helfer, ich bin beschränkt in meinem Wissen, aber ich kann den Patienten in meine Gebete einschliessen und das Beste für ihn erhoffen. Es ist Gott, der heilt.
Lieber Mohinder - mit in deinen Abschied hast du mitgenommen und mir nie verraten, welche Kügelchen du jeweils am anderen Morgen zu dir genommen hast, oder musstest du allenfalls auf deine, doch bereits abgelegte Unpünktlichkeit zurückgreifen.
Lieber Mohinder, ich bin dankbar für das was ich mit dir gemeinsam erleben durfte.
Dankbar für das, was du mir im Leben gegeben hast.
Wir alle da sind dankbar, was du uns gegeben hast.
Sei mir jetzt nicht böse über meinen Rückblick. Ich habe ja nicht über alles gesprochen. Ich habe ja nicht gesagt, dass du im Leben manchmal ungeduldig warst. Dass du dunkles Bier hellem vorgezogen hast oder dass du gerne grosse Allrad-Volvo gefahren bist, auch wenn ein kleineres Auto einfacher zu parkieren gewesen wäre.
Ich weiss, du wolltest nicht, dass heute nur traurige Worte gesprochen werden. Du willst auch heute Lebensfreude, den Fortgang deines Lebenswerkes spüren.
Lieber Mohinder, wir alle werden uns wiedersehen, aber bitte sei dann pünktlich.
Dein Freund
Martin Lenz